Verwechslungsgefahr: Schilddrüse oder Pubertät?

Etwa zwei Prozent der Schulkinder entwickeln eine Hashimoto-Thyreoiditis. Bei welchen Anzeichen man besonders aufmerksam sein sollte, erläutert eine Nuklearmedizinerin.

10.03.2023

Es gibt verschiedene Faktoren, die eine Störung der Schilddrüsenfunktion in der Adoleszenz auslösen können. Sind Schilddrüsen-Erkrankungen in der Familie bekannt, gilt es besonders wachsam zu sein.
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Reizbarkeit und Müdigkeit, fettige Haare und unreine Haut, Gewichtsveränderungen und depressive Stimmung: Viele Symptome, die mit einer Störung der Schilddrüsenfunktion einhergehen, können bei Jugendlichen auch einfach nur Ausdruck der Pubertät sein. Daran erinnert der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. (BDN) in einer Mitteilung.

„In diesem Alter kann es leicht passieren, dass eine Fehlfunktion der Schilddrüse falsch interpretiert und auf die Pubertät geschoben wird“, wird Dr. Gesche Wieser vom BDN in der Mitteilung zitiert.

Die niedergelassene Nuklearmedizinerin in Freiburg erläutert, bei welchen Anzeichen Eltern besonders wachsam sein sollten. Dazu zählt unter anderem eine familiäre Häufung von Schilddrüsenerkrankungen.

„Hashimoto manifestiert sich häufig in der Pubertät“

Es gibt verschiedene Faktoren, die eine Störung der Schilddrüsenfunktion in der Adoleszenz auslösen können. „Vor allem die Geschlechtshormone spielen in der Pubertät dabei eine große Rolle“, erläutert Wieser in der Mitteilung. Aber auch hormonelle Verhütung, Dauerstress, virale Infektionen sowie Jodüberschuss oder Jodmangel, verursacht etwa durch vegane oder vegetarische Ernährungsweisen, stellen Störfaktoren dar.

Darüber hinaus gibt es eine genetische Veranlagung etwa für eine Hashimoto-Thyreoiditis. „Hashimoto manifestiert sich häufig in der Pubertät“, so Wieser. Insgesamt entwickeln etwa zwei Prozent der Schulkinder die Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem irrtümlich das eigene Schilddrüsengewebe mit Antikörpern attackiert. Mädchen sind viermal häufiger betroffen.

Überfunktion kann in Unterfunktion übergehen

Hashimoto kann sich zunächst als Schilddrüsenüberfunktion äußern, um dann in eine Unterfunktion überzugehen. „Eine Überfunktion zeigt sich unter anderem durch Herzrasen, Haarausfall, Ängste, Nervosität, Konzentrationsstörungen, Gewichtsverlust und starke Regelblutungen“, zählt die Endokrinologin auf.

Eine Unterfunktion dagegen macht sich bekanntermaßen durch Gewichtszunahme, Müdigkeit, depressive Stimmungslage, häufiges Frieren, ausbleibende Regel, fettige Haare und unreine Haut bemerkbar.

„Diese Zustände können natürlich auch einfach nur Ausdruck der Pubertät sein, was ja auch ganz überwiegend der Fall ist“, so Wieser „Das macht die Diagnose einer wirklichen Schilddrüsenerkrankung bei Jugendlichen umso schwieriger – auch weil man mit Blutuntersuchungen in diesem Alter eher zurückhalten ist.“

Auf familiäre Häufung achten

Dennoch gibt es Konstellationen, in denen erhöhte Wachsamkeit geboten ist. „Sind Schilddrüsen-Erkrankungen in der Familie bekannt, sollten Eltern besonders aufmerksam gegenüber möglichen Symptomen sein“, so die Freiburger Nuklearmedizinerin.

„Diese Anzeichen sind vor allem: starke Gewichtszunahme, obwohl ein Kind gesunde Kost in überschaubaren Portionen zu sich nimmt, unregelmäßige Monatsblutungen und psychische Auffälligkeiten oder Wesensveränderungen“.

Die Schilddrüsenspezialistin rät, im Zweifel Kinderarzt oder Kinderärztin bei den Vorsorgeterminen U 10 bis J 2 darauf anzusprechen und um einen Bluttest zu bitten.

Leicht erhöhter TSH-Wert allein ist kein Grund für eine Therapie

Dabei wird unter anderem das Thyroidea-stimulierende Hormon, der TSH-Wert, untersucht. „Ein gering erhöhter TSH-Wert, der auch durch Übergewicht oder Jodmangel bedingt sein kann, ist allein jedoch noch kein Grund, mit einer Hormontherapie zu beginnen“, betont Wieser.

Da sei man heute zunächst zurückhaltend, auch um den Jugendlichen in dieser oft schwierigen Phase der Selbstwahrnehmung nicht unnötigerweise das Gefühl zu vermitteln, krank zu sein. Erst wenn zusätzlich auch die Schilddrüsenhormone fT 3 und fT 4 vermindert seien oder ein TSH-Wert über 10 vorliege, sei eine medikamentöse Behandlung mit L-Thyroxin-Tabletten angezeigt.

Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen verhindern

Um über eine Hormontherapie zu entscheiden, ist das Blutbild inklusive der Messung von Antikörpern aber nur ein erster Schritt. „Es sollte unbedingt eine Ultraschalluntersuchung der Schilddrüse bei der Spezialistin oder dem Spezialisten folgen, die auch das Organ selbst auf Veränderungen hin untersuchen“, so Wieser. „Unter Umständen reichen zunächst Kontrollen in regelmäßigen Abständen, um zu sehen, ob sich die Schilddrüsenwerte wieder normalisieren.“

Liegt jedoch eindeutig eine Hashimoto-Thyreoiditis mit Unterfunktion vor, muss eine Therapie eingeleitet werden. Denn die Erkrankung wirkt sich auch negativ auf die schulischen Leistungen aus. „Jugendliche mit Hashimoto entwickeln oft Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen“, weiß Wieser. Bei guter medikamentöser Einstellung bilden sich diese Symptome jedoch wieder vollständig zurück.(eb/otc)

Quelle: Ärzte Zeitung

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