Von Aufbiss bis Tinnitus
Sportschutzschiene
Die Schiene zum Tragen als Mundschutz beim Ausüben einer Risikosportart ist immer dann sinnvoll, wenn ein hohes Verletzungsrisiko für die Zähne besteht, wie etwa beim American Football oder den verschiedenen Kampfsportarten. Hier können Zähne auf unterschiedliche Art traumatisiert oder im schlimmsten Fall totalluxiert werden. In Abhängigkeit von der Sportart unterscheiden sich die Schienen in ihrer Dicke und Festigkeit. Eine passgenaue patientenindividuelle Lösung ist einer konfektionierten vorzuziehen.
Die Gummischiene hält lediglich durch das Zusammenbeißen der Zähne und bietet deshalb nur mäßigen Schutz. Die weiche, thermoplastische vorgeformte Schiene wird mithilfe kochenden Wassers an die Zähne angepasst. Größeren Schutz bietet im Vergleich dazu eine Schiene, wie wir sie u. a. als Knirscherschiene kennen, also eine Kunststoffschiene, die im Labor individuell auf dem Gipsmodell der Patientensituation bzw. digital hergestellt wird. Idealerweise bedeckt sie Gingiva und Zähne im Ober- und Unterkiefer [1, 2].
Fluoridierungsschiene
Das gleiche Herstellungsprinzip gilt für die Fluoridierungsschiene. Auch diese Kunststoffschiene wird im Labor patientenindividuell für den Ober- und Unterkiefer hergestellt. Sie dient als Träger für fluoridhaltiges Gel im Rahmen der Prophylaxemaßnahmen bei erhöhtem Kariesrisiko eines Patienten. Gegenüber der Anwendung einer konfektionierten Schiene bzw. eines Trays hat die individuelle Fluoridierungsschiene den Vorteil, dass sie passgenau anliegt und damit weniger Fluoridgel beim Befüllen benötigt bzw. dieses mit der Fluoridierungsschiene besser direkt an die Zähne gepresst wird. Darüber hinaus ist der Komfort für den Patienten aufgrund der höheren Passgenauigkeit größer, da die Schiene nicht unnötig groß dimensioniert ist und damit als weniger störend empfunden wird. Auch im Vergleich zum Einbürsten des Gels punktet die Schiene, da sie eine gleichmäßigere Verteilung des Fluoridgels bewirkt und zudem eher gewährleistet, dass die Einwirkzeit auch wirklich eingehalten wird [3].
Gleiches Prinzip, andere Wirkung - die Bleachingschiene
Die individuell hergestellte Bleachingschiene, meist aus entsprechendem Tiefziehmaterial, wird mit dem ausgewählten geeigneten Bleichmittel auf den Zahnbogen gesetzt. Dabei muss darauf geachtet werden, dass die Schiene mit dem Bleachingprodukt nicht zu voll gefüllt wird, damit kein Mittel herausquillt und die Gingiva bzw. andere Weichteilstrukturen schädigt. Deshalb bedeckt diese Schiene von ihren Ausmaßen her auch nur die Zähne, eine konfektionierte Schiene gewährleistet hier keine Anwendungssicherheit. Auf die Tragefrequenz und die In- und Offhouse-Regelung der Bleachingschiene soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden [1, 4, 5].
Schnarcherschiene
Die Schnarcherschiene heißt auch Anti-Schnarch-Schiene oder Protrusionsschiene (s. auch Absatz "Aufbissschiene"). Warum? Weil sie das Schnarchen verhindern soll und den Unterkiefer deshalb nach vorne schiebt. Ursache des Schnarchens ist in Fällen, in denen eine Protrusionsschiene helfen kann, die Verengung des Rachenraums im Schlaf. Dabei rutscht der Unterkiefer zu weit nach hinten und auch die Zunge verlagert sich nach hinten. Das verengt den Rachenraum und es entstehen die typischen Schnarchgeräusche, da beim Atmen die Weichteile durch die ausströmende Luft in Schwingungen geraten.
Auch hier unterscheiden wir konfektionierte Lösungen und Schienen, die in der Praxis bzw. im Labor individuell angepasst werden. Die zweiteiligen patientenindividuellen Schienen (hergestellt nach Abdruck oder digitaler Abformung) halten den Unterkiefer und damit auch Zunge und Gaumensegel im Schlaf vorn, da die Schienen so miteinander verbunden sind, dass der Unter- am Oberkiefer fixiert ist und deshalb nicht nach hinten rutscht [6-8]. Bekannte Unterkieferprotrusionsschienen zur Schnarchtherapie sind z. B. nach wie vor der Thornton Anterior Positioner (TAP), das intraorale Schnarch-Therapie-Gerät (IST) oder die Hamburger Unterkieferprotrusionsschiene (H-UPS; ) [9].
Tinnitusschiene
Wenn Tinnitus keine Ursache im Bereich von Hals, Nase und Ohren hat, kann das lästige Dauergeräusch im Ohr auch auf eine kraniomandibuläre Dysfunktion (CMD) zurückzuführen sein. Dafür gibt es mehrere Erklärungsmodelle. Eines ist die neuronale Übererregung der Kaumuskeln, wie sie beim Bruxismus vorliegt: Über den N. trigeminus, der neben den Kaumuskeln auch die Muskeln von Tuba und Mittelohr (Muskeln des Trommelfells) innerviert, ist eine Rückkoppelung an die Muskeln im Ohr möglich. Diese erfahren dann eine tonische Kontraktion.
Hier hilft die Tinnitusschiene, die eigentlich eine Knirscherschiene ist. Experten empfehlen allerdings, nicht eine "einfache" Knirscherschiene herzustellen, sondern funktionsdiagnostische und funktionstherapeutische Maßnahmen heranzuziehen, wie sie aus der Behandlung einer CMD bekannt sind: Es wird eine neuromuskulär entspannte Bisslage gesucht und für diese eine sogenannte Aufbissschiene (s. unten) hergestellt [10, 11]. Bei der Pivotschiene ( s. Tab. 1) im Oberkiefer ist zum Ausgleich bei Fehlstellung des Kiefergelenks die Schiene hinten leicht erhöht [12].Die Tinnitusschiene sollte mit Ausnahme der Nahrungsaufnahme immer getragen werden, bis langfristig die neue Bisslage auch im definitiven Zahnersatz oder bei der konservierenden Versorgung umgesetzt ist [10].
Aufbissschiene
Knirscherschiene ist ein geläufiges Wort für die Aufbissschiene, wobei sich beide streng genommen unterscheiden (s. unten). Wie der Name sagt, wird die Knirscherschiene gegen Zähneknirschen und Kieferpressen (Bruxismus) eingesetzt. Patienten knirschen aus Stress, Frauen mehr als Männer, dabei werden Zähne im Extremfall bis zu 800 N Kraft ausgesetzt. Das kann Folgen für die Zähne (Abrasion, Schlifffacetten, Risse im Zahnschmelz etc.) haben und sich auf den Zahnhalteapparat, die Kaumuskulatur und die Kiefergelenke wie auch auf den Zahnersatz auswirken. Bei einer Überlastung des Zahnhalteapparats kann es zu Rezessionen kommen, eine dann möglicherweise aufgrund des bekannten schlechteren Putzverhaltens bzw. vernachlässigter Mundhygiene um die Rezessionsbereiche folgende Gingivitis kann sich bis zur Parodontitis (Lockerung der Zähne) entwickeln. Trifft es die Kiefergelenke, so nehmen die Gelenkköpfe eine unphysiologische Stellung ein und es kommt zu einer Kompression des Kiefergelenks. In der Folge treten die unterschiedlichsten Beschwerden der CMD auf, z. B. Kopf- und Nackenschmerzen [2, 13].
Den Stress behebt eine Schiene leider nicht, dafür verhindert sie die Folgen, indem die auf den Unterkiefer aufgesetzte Schiene den direkten Kontakt zwischen der oberen und unteren Zahnreihe verhindert. Normalerweise wird diese Schiene nur nachts getragen, was im Bedarfsfall natürlich auch auf den Tag ausgeweitet werden kann [1]. Idealerweise wird die Knirscherschiene nicht als reine Schutzschiene zum Schutz der Zahnhartsubstanz hergestellt, sondern als funktionsdiagnostische Schiene. Dann heißt sie treffender auch Aufbissschiene oder Okklusionsschiene [14]. Experten unterscheiden bei den Aufbissschienen zwischen der
- Michigan-Schiene,
- Reflexschiene,
- modifizierten Reflexschiene,
- Dekompressionsschiene und
- Unterkieferprotrusionsschiene [15, 16, 17].
Gemäß den entsprechenden Leitlinien sollen diese Schienen aus hartem Kunststoff bestehen, weiche Schienen oder einfache Tiefziehschienen sind für die Therapie im Formenkreis der CMD nicht gut geeignet. Sie bieten sich in der Akutbehandlung als kurzfristige, da schnell und einfach herstellbar, Alternative zu den genannten Varianten an, sollten aber nach einigen Wochen durch eine der anderen Varianten ersetzt werden. Alternativ zu den in Tab. 1 vorgestellten, individuell herzustellenden Schienen können auch konfektionierte Schienen verwendet werden. Auch sie haben den Vorteil der schnellen Verfügbarkeit, sollten aber ebenso nach einigen Wochen ausgetauscht werden. Beispiele sind der Aqualizer, bei dem zwei wassergefüllte Bisskissen, die über eine dünne Kapillare miteinander verbunden sind, den Druck ausgleichen [18], oder bruXane2go, die nach Belieben in den Ober- oder Unterkiefer eingesetzt werden kann und mithilfe des integrierten Sensors bei Kaudruck eine Vibration auslöst, die erst stoppt, wenn auch der Druck stoppt [19]. Die Nociceptive Trigeminale Inhibition (NTI) -Frontzahnschiene ist eine semikonfektionierte Schiene (ca. 3 cm breit, 1 cm hoch). Sie wird vom Behandler individualisiert und sitzt über den oberen oder unteren Inzisiven. Hier haben nur die Gegenfrontzähne Kontakt mit der Schiene, die anderen Zähne sind kontaktfrei [20, 21].
Kieferorthopädische Schiene
Auch die kieferorthopädische (KFO-) Schiene ist eine transparente Schiene, die als Alternative zur klassischen KFO-Behandlung mit herausnehmbaren kieferorthopädischen Geräten oder Brackets entwickelt wurde. Diese als Aligner bekannte Kunststoffschiene (von vielen verschiedenen Anbietern vertrieben, z. B. mit den Markennamen Invisalign, Clear Aligner, HarmonieSchiene, Essix und Orthocaps) wird zum Essen sowie zur Reinigung und Mundpflege vom Patienten herausgenommen, ansonsten rund um die Uhr getragen. Das Prinzip einer KFO-Schiene ist, dass auf Grundlage des Patientengebisses ein Modell hergestellt wird, in dem die Zähne in der angestrebten Zielposition stehen. Auf Basis dieser Situation wird die Schiene bzw. werden die Schienen hergestellt. Wird die Schiene getragen, so bewegen sich die Zähne unter kontrolliertem Druck in die gewünschte vorgegebene Position. Leichte bis mittelschwere Korrekturen lassen sich auf diese Weise erreichen. Dazu werden die täglich 24 h zu tragenden Schienen (mit Ausnahme der Mahlzeiten) im in der Regel 2-wöchigen Rhythmus ausgetauscht und die Korrekturen damit in mehreren Schritten durchgeführt. Als Faustformel gilt: Sind die Druckschmerzen nach Einsetzen einer neuen Schiene verschwunden und ist kein Spalt mehr zwischen der Schiene und den Zähnen vorhanden, so wird die Schiene erneut ausgetauscht. Für einfache Korrekturen werden 10-20 Aligner veranschlagt, für umfangreichere Korrekturen ca. 20-50 Schienen [22, 23].
Schienenreinigung und Prophylaxe
Patienten sollte zur täglichen Reinigung und Pflege ihrer Schienen kaltes bis maximal lauwarmes Wasser, eine milde Flüssigseife oder Spülmittel und eine (weiche) Zahnbürste (eine normale, aber bitte nur für diesen alleinigen Gebrauch) empfohlen werden. Möglich, aber unnötig wäre auch die Anwendung eines speziellen Reinigungsschaums, der wie eine Zahncreme auf die Zahnbürste aufgetragen wird.
Besondere Aufmerksamkeit gilt bei der Reinigung der Schieneninnenseite. Prothesenreiniger sollte man nicht verwenden; sie eliminieren zwar Bakterien auf der Schiene, greifen aber den Schienenkunststoff an - sollte die Oberfläche der Schiene dadurch angeraut werden, ist sie in der Folge empfänglicher für die Plaqueanlagerung.
Muss die Schiene aus Indikationsgründen den ganzen Tag getragen werden, wird sie zu den Mahlzeiten herausgenommen. Aber auch für das Trinken zuckerhaltiger oder heißer Getränke sollte die Schiene kurz entfernt werden. Nach dem Herausnehmen einer Schiene sollte sie in jedem Fall einmal kurz mit Wasser abgespült werden, auch wenn sie zu dem Zeitpunkt nicht zusätzlich gereinigt wird [24-27].
Nicht zu empfehlen sind Hausmittel, die sich Patienten in den einschlägigen Foren gegenseitig empfehlen. Essig, Backpulver und Natron können dem Kunststoff schaden oder ihn trüben. Insbesondere beim Essig scheiden sich jedoch die Ansichten: Es gibt auch die Expertenmeinung, dass verfärbte Schienen mit weißem Essig und kaltem Wasser im Verhältnis 1:1 im Glas behandelt werden können [27]. Von Zahnpasta mit zu vielen Schleifprodukten oder mit Zahnaufhellern als Inhaltsstoffen wird ebenso abgeraten wie von den hinlänglich bekannten Prothesenreinigern. Sie können die Schiene ebenfalls aufrauen und empfänglich für die Plaqueanlagerung machen [27].
Schienen, die gerade nicht getragen werden (müssen), sollten nach der Reinigung trocken und bei Zimmertemperatur in einer geeigneten Box aufbewahrt werden [24].
Die zahnärztliche Praxis kann in der Prophylaxesitzung bzw. professionellen Zahnreinigung auch die Schienenreinigung anbieten. Dann wird die Schiene in ein Ultraschallreinigungsgerät oder Prothesenreinigungsgerät gelegt, das für die Reinigung von herausnehmbaren Versorgungen, KFO-Apparaturen und Schienen geeignet ist. Machen Sie deshalb Ihre Patienten darauf aufmerksam, dass sie ihre Schienen auch immer zur Prophylaxesitzung mitbringen.
Auch sonst gilt es, die Schiene regelmäßig zu kontrollieren, gerade im Formenkreis einer CMD muss auf das Einschleifen besonderes Augenmerk gelegt werden, um erfolgreich zu therapieren [28].
Das sagt die Kollegin
Stefanie Kurzschenkel, ZMP |
Prophylaxe ist Teamarbeit: Wir als Prophylaxefachkräfte brauchen einen guten Rundumblick und das besonders am Anfang in der Prophylaxesitzung. Das Einbeziehen der Anamnese und die Beurteilung aller Symptome, Indizes und vorliegenden Befunde zeigen uns Problematiken auf und wir können an die zahnmedizinische Abteilung verweisen. |